Der Umbau der internationalen Finanzmarktarchitektur hat in den letzten Wochen deutlich an Kontur gewonnen. In Europa wurde mit der europäischen Finanzaufsicht ein Meilenstein auf dem Weg zum europäischen Finanzmarkt geschaffen.

Mit den Beschlüssen des Baseler Ausschusses zur Eigenkapitalausstattung liegt zudem ein anspruchsvolles Regelwerk vor, das das Risiko zukünftiger Krisen deutlich reduzieren kann. Auch wenn wir Einzelpunkte, wie etwa die zusätzlichen Kapitalpuffer, weiterhin sehr kritisch sehen, ist es gut, dass die Marschroute nun feststeht.

I. Basel III: Auf die Umsetzung kommt es an

Was der Baseler Ausschuss vorgelegt hat, ist allerdings erst die Wegbeschreibung und der Zielpunkt. Jetzt kommt es darauf an, dass auch alle Teilnehmer gleichzeitig an den Start gehen und nicht noch zusätzliche Hürden aufgestellt werden, die den Weg unnötig erschweren. Ansonsten droht ein ungleiches Rennen, bei dem das Tempo von denjenigen bestimmt wird, die als Letzte starten. Konkret heißt dies:

Die neuen Regeln müssen zeitlich international abgestimmt eingeführt werden. Die auf dem G20-Gipfel in Toronto geschaffene Möglichkeit, den Ländern Entscheidungsspielräume zu überlassen, ist der falsche Weg. Der anstehende Gipfel von Seoul sollte diesen Vorschlag revidieren und eine koordinierte Umsetzung der Baseler Beschlüsse festlegen. Andernfalls hätte sich die Staatengemeinschaft von der Idee eines einheitlichen Level Playing-Field verabschiedet. Sollte es zu deutlich auseinanderlaufenden zeitlichen Prozessen kommen, wäre die Folge nicht das gewünschte mehr an Sicherheit, sondern ein mehr an Regulierungsarbeit. Das heißt: Geschäfte wandern in die Finanzzentren ab, die sich mit der Umsetzung möglichst viel Zeit ließen. Dies kann nicht im Sinne von Politik und Aufsicht sein.

Die Auswirkungen von Basel III müssen zunächst analysiert werden, bevor über neue, zusätzliche Auflagen entschieden wird. Die neuen Regeln sind ambitioniert und für alle Banken mit erheblichen Anstrengungen verbunden. Die Diskussion über den überfälligen Umbau des Landesbankensektors zeigt, welche Probleme gerade in Deutschland zum Teil damit verbunden sind. Schon jetzt bedarf es eines erheblichen zeitlichen Vorlaufs, um die Auflagen zu erfüllen. Diesen sollten wir auch nutzen. Es ist daher absolut verfrüht, bereits jetzt über mögliche weitere Aufschläge zu diskutieren, frei nach dem Motto: Viel hilft viel. Dies ist nämlich nicht unbedingt der Fall. Eigenkapital erfüllt zwar die Funktion eines Airbags, es verhindert aber nicht den Unfall.

Zusätzliche Kapitalforderungen für als systemrelevant eingestufte Institute, wie sie etwa das Financial Stability Board oder die britische Finanzaufsicht fordern, lehnen wir daher strikt ab. Sie setzen an der falschen Stellschraube an, da die Größe eines Instituts nichts über den Risikogehalt aussagt. Schon in der zurückliegenden Krise hätte diese Maßnahme daher kaum einen dämpfenden Einfluss gehabt. Northern Rock, die IKB oder die isländische Kaupthing Bank hätten wohl kaum dem Kreis dieser als systemrelevant angesehenen Banken angehört. Dies zeigt, dass nicht allein die Größe einer Bank, sondern vielmehr ihre Vernetztheit, der Risikogehalt ihrer Geschäfte und die Tragfähigkeit ihres Geschäftsmodells mindestens ebenso ausschlaggebend sind. Unstrittig ist: Wer riskante Geschäfte eingeht, sollte sie auch mit entsprechend mehr Eigenkapital unterlegen. Dies muss aber unabhängig davon gelten, ob es sich um eine Sparkasse, eine Regionalbank oder eine international tätige Geschäftsbank handelt.

II. Neue Insolvenzordnung für Kreditinstitute notwendig

Die Besonderheiten von sogenannten systemrelevanten Kreditinstituten können also nicht allein durch mehr Kapital gelöst werden. Notwendig ist vielmehr ein spezielles Insolvenz­verfahren für Finanzinstitute, wie es derzeit von der Bundesregierung und der Europäischen Kommission angedacht wird. Der Bankenverband hatte hierzu ja bereits Anfang des Jahres eigene Vorschläge präsentiert.

Dabei muss auch in der Kreditwirtschaft das Prinzip gelten: Unternehmerischer Misserfolg führt zum Marktaustritt. Dieser sollte aber so geordnet stattfinden, dass nicht gleich – wie beim Domino-Day – große Teile des Finanzsystems mit umfallen.

Da heute niemand vorhersagen kann, welches Unternehmen, welcher Markt oder welches Finanzinstrument eine mögliche Gefahr für die Finanzmarktstabilität darstellt, ist der Ansatz der Bundesregierung richtig, das Krisenmanagement nicht nur auf „systemrelevante Institute“ zu beschränken. Die nächste Krise wird – soviel ist zumindest sicher – andere Ursachen haben und einen völlig anderen Verlauf nehmen.

Es wäre daher nicht gerechtfertigt, Sparkassen und Genossenschaftsbanken – wie teilweise gefordert – von dem neuen Verfahren und der damit korrespondierenden Bankenabgabe auszuschließen: Auch sie können systemische Risiken verursachen, insbesondere durch ähnliche Geschäftsmodelle, starke Vernetzung, Haftungsverbünde und die Eigentümer­struktur. Alles dies ermöglicht Dominoeffekte. Der Verweis auf die Institutssicherung läuft dabei ins Leere. Letztlich ist kein Einlagensicherungssystem für eine systemische Krise ausgelegt.

Ein europäischer Schulterschuss ist in dieser Frage aus mehreren Gründen nötig: Zum einen, weil bei Alleingängen – insbesondere durch die unabgestimmte Einführung von Abgaben – massive Wettbewerbsverzerrungen drohen. Zum anderen besteht die Gefahr von Doppel­belastungen, wenn Geschäfte etwa einer deutschen Niederlassung in London sowohl von der deutschen als auch der geplanten britischen Abgabe belastet werden. Last but not least erfordert ein europäischer Finanzplatz mit europaweit tätigen Banken eine abgestimmte Vorgehensweise, um im Krisenfall effektiv handeln zu können.

Wir begrüßen daher die Pläne der EU-Kommission, ein einheitliches System von jeweils nationalen Bankenabwicklungsfonds einzuführen. Nun kommt es darauf an, europaweit – besser noch auf Ebene der G20 – einheitliche Kriterien für die Bemessungsgrundlage, den Kreis der Beitragszahler und den Verwendungszweck der Fondsmittel zu schaffen. Dies ist eine wesentliche Voraussetzung für den Erfolg der Idee. Gelingt dies, kann im Fall einer Systemkrise ein solcher Fonds stabilisierend eingreifen, ohne dass Staat und Steuerzahler herangezogen werden müssen. An der Haftungskette – erst die Eigentümer, dann die Gläubiger und erst danach der Abwicklungsfonds – ändert sich nichts.

Es wäre daher besser, die weit gediehenen deutschen Vorstellungen auf europäischer Ebene einzubringen und so die dortige Diskussion rasch voranzubringen. Sollte das deutsche Gesetz wie geplant Ende 2010 in Kraft treten, bliebe hingegen offen, wie etwa Doppel­belastungen aus der Abgabe vermieden werden können und inwieweit es den bald zu erwartenden europäischen Vorgaben entspricht. Die Erfahrung zeigt aber, dass eine Änderung in absehbarer Zeit unumgänglich wäre.

III. Intelligente Regulierung für mehr Wachstum

Für die Politik und Aufsichtsbehörden wird es in dieser und anderen Regulierungsfragen darauf ankommen, die richtige Balance zu finden. Eine Balance, die stabile Finanzmärkte gewährleistet, ohne ihre Dynamik und Leistungskraft zu stark zu beschneiden. Klar ist: Regulierung wirkt sich nicht nur auf die unmittelbar betroffenen Banken aus, sondern auch auf die Wirtschaft. Dies gilt im positiven wie im negativen. Zwar ist die Gefahr einer Kredit­klemme derzeit nicht gegeben, bei allen Regulierungsvorhaben darf aber die Gesamt­belastung der Kreditwirtschaft nicht außer Auge gelassen werden. Um es mit Aristoteles zu sagen: Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile. So ergibt sich nach unseren Berechnungen aus den bisher bekannten Reformvorschlägen zur Einlagensicherung, Finanzmarktsteuer und zur Bankenabgabe eine Reduzierung des Nachsteuergewinns bei Banken um annähernd 40 %. Von einem Euro Gewinn blieben damit gerade 30 Cent – und Basel III ist hierbei noch nicht einmal berücksichtigt.

Von daher stellt sich die Frage: Wo bietet Regulierung einen erkennbaren Mehrwert für die Finanzmarktstabilität und wo wirkt sie lediglich dämpfend auf den Finanzplatz und damit die Konjunktur? Unter diesem Aspekt lehnen wir eine Finanztransaktionssteuer strikt ab. Unabhängig davon, ob es gelingt, sie international zu verankern oder ob man sich entschließt sie auf nationaler Ebene einzuführen. Gerade ein solcher Alleingang hätte bei dieser Steuer letztlich nur die Abwanderung der betroffenen Finanzgeschäfte zur Folge. Zudem würden sich die Mittel für die Kapitalbeschaffung der Unternehmen in den betroffenen Ländern entsprechend verteuern. Ebenso halten wir die von der Europäischen Kommission und dem IWF vorgeschlagene Finanzaktivitätssteuer für falsch. Sie führt zu einer Doppelbesteuerung bei Banken und wirft daher auch verfassungsrechtliche Fragen auf.

Meine Damen und Herren, Deutschland braucht starke private Banken. Die privaten Banken gehören zu den maßgeblichen Finanzierern des deutschen Exports. Gut zwei Drittel des deutschen Außenhandels werden von privaten Banken finanziert. Ohne die von uns angebotenen Absicherungsinstrumente gegen Währungs- und Rohstoffpreisschwankungen stiegen die Kosten für Produktion und Transport in unserem Land deutlich. Ohne Verbriefungen sänke die Möglichkeit, Kredite zu vergeben und Innovationen zu fördern. Es handelt sich dabei also nicht um eine Parallelwelt, sondern um handfeste Kosten- und Wettbewerbsvorteile für deutsche Unternehmen. Dies alles muss man Bedenken, wenn es jetzt darum geht, neue Regulierung auf den Weg zu bringen. Nationale Alleingänge bergen die Gefahr, den deutschen Bankenmarkt und damit auch die deutsche Wirtschaft, nachhaltig zu schwächen. Dies kann nicht im Interesse unseres Landes sein.

IV. Europäische Staatsschuldenkrise

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich kurz auf ein anderes Thema zu sprechen kommen: die europäischen Staatschuldenkrise. Die Ausweitung der Spreads einzelner Mitgliedstaaten in den letzten Wochen macht deutlich, dass wir diese Krise noch nicht hinter uns gelassen haben. Viele Staaten, nicht nur in Europa, haben zu lange über ihre Verhältnisse gelebt. Zwar haben die Stützungsmaßnahmen für Griechenland und der Euro-Rettungsschirm Wirkung gezeigt, zugleich sind aber auch die Konstruktionsfehler der Europäischen Währungsunion schmerzhaft offen gelegt worden.

Die nun von der Kommission vorgestellten Pläne zur Reform des Stabilitätspaketes sind ein Schritt in die richtige Richtung. Zur Abwehr zukünftiger Krise müssen die Sanktionen im Stabilitätspakt verschärft und leichter durchsetzbar sein. Hier hatte sich in den vergangenen Jahren Nachlässigkeit eingeschlichen. Es ist daher gut, dass die Kommission auf stärkere Automatismen setzt. Nun ist darauf zu achten, dass diese im weiteren Abstimmungsprozess nicht unnötig verwässert werden.

Strafen allein reichen jedoch nicht aus. Auch die Ursachen der Schuldenmisere müssen bekämpft werden. Der Bankenverband setzt sich daher für ein System nationaler Schulden­bremsen in der reformierten Währungsunion ein. Dieses würde wichtige Anforderungen an ein langfristig wirksames Stabilisierungsinstrument erfüllen. So würden Verstöße gegen die Schuldengrenzen in Zukunft schneller publik. Wegen der grundsätzlich nationalen Ausrichtung der Maßnahme – wenn auch in koordinierter Form – wäre lediglich das Prinzip der Schuldenbremse europa­weit einzuführen; eine Änderung der Europäischen Verträge somit nicht notwendig.

Fest steht: Nur mit einem konsequenten Kurs der Haushaltssanierung können mittelfristig die Voraussetzungen für mehr Wachstum und Beschäftigung in der Europäischen Union geschaffen werden. Die Idee der europäischen Union sollte jedenfalls nicht an ökonomisch lösbaren Problemen scheitern.

V. G20-Prozess – Status und Ausblick

Meine Damen und Herren, die diesjährige Jahrestagung des IWF ist geprägt von den Diskussionen im Vorfeld des G20-Gipfels in Seoul. Die Gespräche hier in Washington zeigen, dass der Wunsch nach weitreichender globaler Kooperation innerhalb der G20 immer weiter abnimmt. Wir sehen das durchaus mit Sorge.

Man kann über die G20 und ihre Vor- und Nachteile im Sinne einer Global Governance geteilter Meinung sein. Das Thema „globale Finanzmarktstabilität“ darf aber noch nicht ad acta gelegt werden. Die G20 selbst haben das Ziel formuliert, dass „kein Markt, kein Marktteilnehmer, kein Produkt ohne angemessene Aufsicht und Regulierung bleiben“ soll. Der private Bankenverband unterstützt diese Zielsetzung. „Angemessen“ heißt dann aber auch: international abgestimmt und in der Umsetzung überprüft. Die Wirkungskontrolle dessen, was auf den G20-Gipfeln in Washington, London, Pittsburgh, Toronto und nun im kommenden Monat in Seoul erarbeitet wurde, darf deshalb nicht ins Hintertreffen geraten. Ansonsten droht nicht nur ein Stück Glaubwürdigkeitsverlust.

Quelle: BdB