von Rechtsanwalt Daniel Blazek, BEMT Rechtsanwälte

Es zeichnete sich bereits seit einiger Zeit ab, nun jedoch entschied der BGH am 14. Mai 2012 ausdrücklich, dass die konstituierenden Vertragspartner einer Fondsgesellschaft für das Fehlverhalten der Vermittler und Berater beim Abschluss der Beteiligungsverträge persönlich einzustehen haben. Leitsatz:

„Der Gründungsgesellschafter, der sich zu den vertraglichen Verhandlungen über den Beitritt eines Anlegers zu einer Fondsgesellschaft eines Vertriebs bedient und diesem oder von diesem eingeschalteten Untervermittlern die geschuldete Aufklärung der Beitrittsinteressenten überlässt, haftet für deren unrichtige oder unzureichende Angaben.“

Dies ist der Fall, weil den Gründungsgesellschafter grundsätzlich die Pflicht selbst trifft, einem Beitrittsinteressenten für seine Beitrittsentscheidung ein zutreffendes Bild über das Beteiligungsobjekt zu vermitteln und ihn über alle Umstände, die für seine Anlageentscheidung von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können, insbesondere über die mit der angebotenen speziellen Beteiligungsform verbundenen Nachteile und Risiken zutreffend, verständlich und vollständig aufzuklären; vgl. BGH II ZR 68/12, U. v. 14. Mai 2012, Rdnr. 10; BGH II ZR 202/09, U. v. 17. Mai 2011; BGH II ZR 30/09, U. v. 31. Mai 2010. Und wenn sich der Gründungsgesellschafter bei der Erfüllung seiner Pflicht eines Vermittlers bedient (oder seiner Untervermittler), muss er auch für dessen Fehlverhalten einstehen.

Auf der anderen Seite stellte der BGH längst klar, dass die Zurechnung des Vermittlerverhaltens an die Fondsgesellschaft selbst grundsätzlich ausgeschlossen ist, diese also nicht für eine Pflichtverletzung des Anlagevermittlers haftet, wenn es sich um eine Publikumspersonengesellschaft handelt, also z.B. ein geschlossener Fonds in Rechtsform der GbR oder (GmbH & Co.) KG; vgl. BGH XI ZR 376/09 (U. v. 19. Oktober 2010) und BGH II ZR 387/02 (U. v. 21. Juli 2003). Eine Ausnahme gilt nur bei (atypisch) stillen Gesellschaften seit BGH II ZR 354/02 (U. v. 19. Juli 2004), wie auch eine arglistige Täuschung bei Publikumspersonengesellschaften zumindest zu einem außerordentlichen Kündigungsrecht des Anlegers führt, vgl. BGH XI ZR 376/09 (U. v. 19. Oktober 2010), wenngleich grundsätzlich nicht auch zu einem Schadenersatz. Dieser Ausschluss der Zurechnung an die Fondsgesellschaft liegt im Wesentlichen daran, dass die Mehrheit der Gesellschafter (nämlich die hinzutretenden Anleger) auf die Auswahl der Vermittler und die Vermittlungen selbst keinen Einfluss ausüben und diese zu großen Teilen sogar stattfindet (hinsichtlich vorheriger Anleger), bevor sie selbst Gesellschafter werden.

Der BGH öffnet also gewissermaßen eine Hintertür, wohl weil es ihm interessengerecht erschien, auf Ebene der Publikumsgesellschaft wenigstens ein paar Haftungsgegner zu finden, wenn er die Gesellschaft selbst schon vom Haken lässt.

Ganz unbedenklich erscheint diese Rechtsprechung nicht. Denn in den meisten Fällen beauftragen nicht die Gründungsgesellschafter den Vertrieb, sondern die Geschäftsführung für die Gesellschaft selbst. Schließlich fallen hierfür auf Ebene der Gesellschafter auch entsprechende Mittelverwendungskosten an. Ferner liegt es auch im Interesse eines jeden bereits beigetretenen Gesellschafters – ebenso wie im Interesse des Gründungsgesellschafters –, dass weitere Anleger-Gesellschafter beitreten, was der Anleger-Gesellschafter mit Abschluss des Gesellschaftsvertrages regelmäßig ausdrücklich billigt.

Außerdem hat der Gründungsgesellschafter in fast allen Fällen ebenso wenig Einfluss auf den konkreten Vertrieb wie der hinzutretende Anleger-Gesellschafter selbst, sondern wird sich wohl eher die Geschäftsführung operativ damit beschäftigen, die z.B. als Organ einer Komplementär-GmbH regelmäßig nicht Gründungsgesellschafter ist.

Es sind nun zwei Tendenzen in Reaktion auf die neuerliche BGH-Rechtsprechung absehbar: Zum einen werden sich natürliche Personen künftig hüten, Gründungsgesellschafter zu werden und einer GmbH den Vortritt lassen, auch wenn dies ggf. zu steuerlichen Nachteilen der Gesellschaft (und damit der Anleger) führt. Zum anderen dürften Anlegerschutzprozesse mit dem Vorwurf der Falschberatung oder Aufklärungspflichtverletzung durch den Vermittler katalysiert werden, da sie das Vehikel zur Inanspruchnahme des Gründungsgesellschafters bilden. Letztere dürften vermehrt mit Streitverkündungen reagieren, um sich Regress-Möglichkeiten zu sichern für den Fall, dass wirklich eine fehlerhafte Handlung des Vertriebs vorliegt.

Und wer nun glaubt, dass die Verwendung eines Emissionsprospekts per se hilft, irrt: Denn diese schließt es nicht aus, unzutreffende Angaben des Vermittlers dem Gründungsgesellschafter zuzurechnen. Vermittelt der Prospekt hinreichende Aufklärung, ist dies kein Freibrief, Risiken abweichend hiervon darzustellen und mit Erklärungen ein Bild zu zeichnen, das die Hinweise im Prospekt für die Entscheidung des Anlegers entwertet oder mindert; vgl. BGH II ZR 69/12, U. v. 14. Mai 2012, Rdnr. 12.

Am Ende bleibt: Vermittler und Gründungsgesellschafter haften für die Benutzung fehlerhafter Prospekte, sofern sie Mittel zur Aufklärung waren. Vermittler und Gründungsgesellschafter haften auch bei fehlerfreien Prospekten, wenn trotzdem fehlerhaft beraten wurde. Beide haften nicht bei fehlerfreien Prospekten zuzüglich fehlerfreier Vermittlung bzw. Beratung. Den Fondsgesellschaften kann das alles egal sein, soweit nicht ein Gründungsgesellschafter insolvent und/oder ausgeschlossen wird. Es bleibt zu hoffen, dass es sich dabei nicht um einen Komplementär ohne Ersatz bzw. um sauberes gesellschaftsrechtliches Vorgehen handelt.